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News für die Branche

pma-Interview mit Mike Blackman, General Manager ISE

Seit der ersten Integrated Systems Europe im Jahr 2004 ist die Veranstaltung von Jahr zu Jahr gewachsen. Im Jahr 2020 beherbergten die größte Fachmesse unserer Branche über 1.300 Aussteller. Auch in diesem Jahr lädt die Integrated Systems Europe (ISE) wieder ein - diesmal in der neuen Location in Barcelona sowie in London und außerdem als digitale Version.
 
Das pma-Magazin hat sich, in Zusammenarbeit mit Nils Bartsch von das musikinstrument, mit Mike Blackman (Managing Director der ISE) über die Messe im Jahr 2021 und im Zeichen von Corona unterhalten.
 
pma: Herr Blackman, können Sie uns etwas über den aktuellen Status der Integrated Systems Europe sagen – wie gestaltet sich die Wiederanlaufsituation von ISE im Moment?
Mike Blackman: Es ist wirklich nicht einfach - wir haben uns letztes Jahr mit der Messe von Amsterdam verabschiedet, das war am Anfang der Pandemie und wir hatten, wie die meisten Menschen, gedacht, dass diese Pandemie in ein paar Monaten überstanden wäre. Durch unseren Zuwachs von Reservierungen von mehr als 10% (Reservierungen für die ISE 2021) haben wir uns einen wirklichen Wachstum erhofft, wodurch die RAI in Amsterdam für unsere Messe als Location nicht den geforderten Platz gewährleisten konnte. Allerdings haben wir dann natürlich mitbekommen, dass die Pandemie nicht so schnell wie erhofft vorübergeht - also haben wir dann im September letzten Jahres den eigentlichen Termin für die ISE 2021 auf Juni verschoben. Im Februar 2021 haben wir uns dann die gesamte Lage noch einmal angeschaut und mit unserem Aussteller-Beirat gesprochen. Die Resonanz war nicht so positiv seitens der Aussteller wie auch von der Branche, da nicht klar war, ob wir eine sichere Messe durchführen könnten. Problem war hier, dass die Firmen mindestens drei Monate Anlauf- und Vorbereitungszeit vor einer Messe brauchen und wenn wir bis jetzt gewartet hätten, wären viele der Aussteller-Firmen noch mitten in der Vorbereitungsphase. Wir konnten auch nicht so lange warten, da wir ja auch selbst einiges in die Wege leiten müssen, wie Messebau, die Planung, Raumaufteilungen und so weiter.
Während der Gespräche mit dem Aussteller-Beirat und unserem Team haben wir uns dann entschieden, dass wir die Messe nicht so durchzuführen, wie sie ursprünglich geplant war - außerdem haben wir während dieser Gespräche das neue Konzept diskutiert, warum wir die ISE nicht an die verschiedenen Orte bringen, wo die Menschen sind, die diese Messe besuchen, aber nicht verreisen wollen (oder können). Dafür haben wir die vier regionalen Events geplant: Barcelona, München, Amsterdam und London. Leider hat man dann gemerkt, dass in Deutschland sich die neue Regelung für Events und Veranstaltungen immer wieder geändert haben und ein weiterer Lockdown wurde geplant mit weiteren Einschränkungen. Mittlerweile beeinflusst der Inzidenzwert das Möglichmachen von Events, das bedeutet, dass wir in München mittlerweile wieder in Restaurants gehen oder sich mit anderen Leuten treffen kann. Das Problem hierbei war und ist, dass wenn der Inzidenzwert wieder steigt, die Einschränkungen und Regelungen wieder verschärft werden und wir die Messe dann nicht durchführen dürfen. Wir waren uns einig, dass wir dieses Risiko nicht eingehen wollen, dass wir und unsere Partner alles vorbereiten und dann der Fall eintritt, dass wir ein paar Tage oder auch ein paar Stunden vor dem Termin die Messe nicht durchführen dürfen. Leider ist dann der Fall eingetreten, dass wir die Messen in Amsterdam und München absagen mussten - die Termine Barcelona und London werden allerdings stattfinden.
Für die Messe in Barcelona sieht es gut aus, die Anmeldungen dafür steigen weiterhin an. Was interessant ist, dass ein Großteil von außerhalb Spaniens kommt. Wir hatten anfangs nicht erwartet, dass so viele Leute außerhalb Spaniens an dem Termin in Barcelona teilnehmen werden. Ich schätze, dass sich das aber auch durch die Absagen von München und Amsterdam gesteigert hat - die Leute, die an diesen Terminen teilgenommen hätten, reisen nun für die ISE nach Barcelona. Diese kleineren Events sehen wir als eine Art Signal, wir wollten die Branche und die Menschen wieder zusammenbringen und denen einen Ort bieten, an dem sie sich mit anderen Personen treffen und austauschen können. Also steht dieses Jahr mehr das Networking im Fokus, als die Produktpräsentationen der verschiedenen Unternehmen, welche man auf der ISE normalerweise zu sehen bekommt. Der Großteil von dem, was passiert, wird also sein, dass sich die Partner untereinander wieder treffen können. Wir haben ein Programm, das vor Ort und online gleichzeitig ablaufen wird, am 01. Juni wird ISE Digital gleichzeitig mit dem Start der Messetage in Barcelona gelauncht. Man wird also eine Mischung aus Präsentationen auch live in Barcelona sehen, aber hauptsächlich wird das meiste online stattfinden. Hierfür haben wir auch an verschiedenen Orten auf der Messe in Barcelona Bildschirme aufgestellt, auf denen man das digitale Programm verfolgen kann. Es ist also ein bisschen anders als das, was wir normalerweise bieten - man wird nicht die über 1.000 Aussteller sehen, die wir sonst vor Ort haben, in Barcelona werden 70 Firmen vor Ort zu sehen sein. Für London sind wir immer noch im Verkauf von Ständen, in den letzten Tagen haben wir mehrere Anmeldungen reinbekommen, da die Menschen sich jetzt auch etwas sicherer fühlen. Wir bekommen jeden Tag neue Firmen dazu, es sieht also für den Messetermin in London gut aus.
 
Die Fira de Barcelona ist in diesem Jahr die Location für die ISE 2021 (Foto: shutterstock)Die Fira de Barcelona ist in diesem Jahr die Location für die ISE 2021 (Foto: shutterstock)
 
pma: Haben Sie einen Überblick, aus welchen Teilbranchen die Anmeldungen/Bucher kommen? Kann man sagen, dass beispielsweise Lautsprecher-Firmen nicht so häufig wie gewohnt auftreten werden, dafür aber Unternehmen aus anderen Bereichen verstärkt auftreten?
Mike Blackman: Es ist gemischt - man sieht beispielsweise im Audio-Bereich Firmen wie Shure vor Ort. Aber die größeren Lautsprecher-Firmen sind nicht dabei, wie man es sonst auf der ISE gewohnt ist. Es sind ein paar mehr aus den Display-, Integrated- und Digital Signage-Bereichen dabei. Klar, wir haben gesehen, dass vor allem die Live-Event-Branche unter der Pandemie und deren Auswirkungen in den letzten 18 Monaten gelitten hat. Man sieht auch diesen "Knock-On"-Effekt, erstmal leiden die Rental-Firmen, denn die machen keine Geschäfte, dadurch dass keine Live-Events stattgefunden haben und dazu natürlich auch die Hersteller, die diese Rental-Firmen mit ihren Produkten beliefern. Viele Hersteller haben durch die Pandemie das Problem, dass sie die Teile für ihre Produkte aus China nicht bekommen und dadurch auch die Produktionen stillstehen. Man sieht das nicht nur in unserer Branche, auch in der Auto-Industrie kann man dieses Problem beobachten - Lieferungen von wichtigen Teilen finden nicht statt und dadurch verzögert sich die Produktion.
 
pma: Wenn man darüber nachdenkt, dass in jeder Krise auch eine Chance liegt, was denken Sie darüber? Muss die Branche über andere Wege nachdenken, wenn es um wirtschaftliche Globalisierung und Industrie 4.0 geht?
Mike Blackman: Erstmal denke ich, dass jede Firma aus jeder Branche sich immer selbst "unter das Mikroskop setzen" und schauen muss, wie das Geschäft läuft, wie die Prozessabläufe funktionieren und passen diese zu unserem Firmen-Konzept. Wir machen mit der ISE jedes Jahr: Dazu schauen wir uns an, was war gut, was war schlecht? Können wir das, was nicht so gut gelaufen ist mit neuen Ideen verbessern oder verzichten wir komplett auf diese Dinge? Waren die positiven Dinge tatsächlich so gut, wie es auf den ersten Blick scheint? Wir achten hierbei sehr auf das Detail und versuchen uns jedes Jahr aufs Neue zu verbessern - und das machen wir auch intern, nicht nur während der Messe, sondern auch in Bezug auf unsere eigenen Prozesse. Beispielsweise unser Rebooking-Prozess für unsere Kunden wird in diesem Jahr komplett über online laufen. Wir haben diesbezüglich ewig überlegt, ob wir das so machen sollen und jetzt sind wir durch die momentanen Umstände dazu gezwungen. Gott sei Dank haben wir in den letzten Jahren unsere Systeme aufgerüstet, wodurch dieser Prozess via Online für uns möglich gemacht werden kann.
Zu Ihrer Frage: Ja, ich denke, die Branche muss sich Neues überlegen und neue Ideen entwickeln - wir sind abhängig von Asien, was bestimmte technische Teile angeht oder auch Transportwege. Wenn jetzt noch einmal eine Pandemie kommt oder nochmal ein Transportschiff in einem Kanal stecken bleibt und blockiert, müssen wir alle darauf vorbereitet sein. Solche Sachen passieren und man muss überlegen: Okay, was haben wir als andere Möglichkeiten und Alternativen? Man sieht es in der Auto-Branche, die Produktion für verschiedene Modelle wurden ausgelagert, viele Teile werden in China produziert. Von Mercedes Benz und BMW werden die Offroad-Modelle in Amerika produziert, die Kleinwägen in Mexiko - die haben das dorthin ausgelagert, wo die größte Nachfrage für diese Modelle besteht und exportieren dann in die anderen Länder. Dieser Umstand verlagert auch das Risiko für verschiedene Teile, die produziert werden und vielleicht sollte man das in unserer Branche auch einmal genauer anschauen und auch in Erwägung ziehen. Es gibt definitiv Potenzial für neue Wege, wir haben gesehen, dass ein Teil unserer Branche richtig geboomt hat - die Kollaboration. Firmen wie Zoom, Microsoft oder auch andere erleben seit dem Start der Pandemie im Jahr 2020 einen Aufstieg.
Ich meine, wir haben davor schon gewusst was Zoom ist und haben das auch benutzt. Aber jetzt weiß auch jedes Kind was Zoom ist, in den Schulen wird mit Microsoft Teams Online-Unterricht abgehalten. Diese Firmen haben neue Wege gefunden und auch erfolgreich umgesetzt. Ich war auf einem unserer Rise-Events, welche wir online veranstalten und wir hatten dort jemanden von Microsoft, der gesagt hat, dass das Unternehmen die gesamte "Road-Map" für die Zukunft durch die eigenen Produkte und Angebote geändert hat. Wegen der Pandemie haben sie andere Produkte vorgezogen, die mehr zur Situation gepasst haben - wie Microsoft Teams. Wenn man sich also anschaut, dass Schüler bereits in der Grundschule mit Teams, Word oder anderen Microsoft-Programmen gearbeitet haben, wissen diese Schüler in der Zukunft, wenn sie anfangen zu arbeiten, wie diese Programme funktionieren. Solche Dinge sind wichtig, denn wenn z. B. 200 Firmen sagen "Wir fangen JETZT an mit Microsoft oder Zoom zu arbeiten" damit die kommenden Mitarbeiter - und die werden irgendwann auch die Entscheider in diesen Unternehmen sein - damit arbeiten können.
Also, es gibt definitiv verschiedene Möglichkeiten und ich denke, dass auch viele Firmen aus unserer Branche gelernt haben, wie sie etwas mit der digitalen Welt entwickeln können. Wie sie Geschäfte über diese Wege machen können, wenn persönliche Events nicht erlaubt sind. Manche haben diese Gelegenheit sehr gut genutzt wie man sieht. Unsere Produktionsfirma, die seit vielen Jahren für ISE die Videos produziert, sind zu mir gekommen, weil sie wussten, dass wir auch ein Online-Event aus der ISE 2021 machen und haben angeboten, ein super-digitales Studio zu bauen. Ich wusste erst nicht, was sie meinen, dann wurde mir erklärt: Das Studio wird so aufgebaut, wie ein richtiges großes TV-Studio, alles mit Greenscreen und wirklich "echt" aussehend. Die Firma hat uns das präsentiert und wir waren sehr beeindruckt. Man wird das auf der ISE Digital sehen, unser Digital-Studio ist wirklich super geworden.
Andere Unternehmen fangen jetzt mit solchen Ideen an, aber unsere Produktionsfirma war mit Sicherheit die erste in Deutschland, die mit dieser Idee aufgefahren ist. Die Leute der Firma sind sehr kreativ, die haben das für nicht nur für uns und die ISE gemacht - die arbeiten mit SIXX zusammen und mit deren Filmographen. Das ist ein Konzept, in welchem sie für diese Studios Gaming-Software benutzen - beispielsweise für 3D-Effekte. Diese Möglichkeit eröffnet einen neuen Weg für uns und die Branche, denn obwohl wir keine Live-Events veranstalten dürfen, brauchen unsere Kunden und deren Endkunden dennoch Input aus der Branche und wollen wissen, welche Produktneuheiten es gibt. Ich bin sehr stolz, dass unsere Branche in dieser Hinsicht so erfinderisch ist.
 
pma: Haben Sie dennoch von ISE-Ausstellern mitbekommen, bei denen es durch die Pandemie nicht gut läuft und sie vielleicht sogar schließen mussten? Haben Sie Zahlen, auf die man sich diesbezüglich beziehen kann?
Mike Blackman: Ich habe leider keine Zahlen. Allerdings weiß ich von Firmen, die finanzielle Probleme durch die Situation haben und es ist natürlich schwer, denn wenn man über ein Jahr lang kaum bis gar kein Geschäft macht. Viele Firmen haben gelitten, vor allem in der Live-Event-Branche, aber die Zahlen von den Unternehmen, die dennoch ihren Service anbieten, zeigen auch dass es wohl einen großen Comeback im letzten Jahresquartal im AV-Bereich weltweit geben wird. Natürlich, viele Firmen mussten sich verkleinern und Leute entlassen, sonst hätten sie nicht überlebt. Man muss es als Kette sehen: Live-Events-Firmen haben Probleme, weil es keine Events gibt, die mieten auch nichts von den Rental-Firmen und die Rental-Firmen kaufen durch diesen Umstand nichts von den Herstellern. Man sieht anhand dieser Kette, dass es jeden trifft.
 
Das ISE Digital Studio ist professionell eingerichtet und wird für die digitale Version der Messe genutzt (Foto: ISE)Das ISE Digital Studio ist professionell eingerichtet und wird für die digitale Version der Messe genutzt (Foto: ISE)
 
pma: Wie schätzen Sie die Möglichkeiten der digitalen und auch hybriden Messen/Veranstaltungen für die Zukunft der Branchen ein? Denn digitale Messen werden letztlich das Face-To-Face-Erlebnis auf Vor-Ort-Veranstaltungen niemals ersetzen können, ebenso wenig wie das Erlebnis, dass man ein Produkt in Real Life erleben und auch testen kann.
Mike Blackman: Zuallererst: Ich arbeite in einer Branche, in der wir versuchen, die Leute zusammenzubringen - in ECHT! (lacht) Seit 40 Jahren habe ich von Leuten gehört, die sagen, dass digitale Messen die Welt verändern und die Messe-Landschaft übernehmen werden. Vielleicht gibt es Branchen, bei denen das funktionieren wird - in unserer Branche geht das nicht. Es heißt "audio-visual", also "sehen und hören" - die Leute wollen die Produkte in echt sehen. Aber dazu muss ich auch sagen, dass wir digitale Konzepte bisher auch immer wieder ignoriert haben - jetzt sind wir dazu gezwungen, diese Konzepte zu entwickeln und anzuwenden. Wir können sehen, dass die Zukunft hybrid sein wird und ich erkläre auch warum: Jedes Jahr gibt es Leute, die sich für ISE registrieren, mit der Intention, diese Messe zu besuchen und dann kommen diese Personen nicht. Wir machen diesbezüglich einen Research, also nicht nur mit den Leuten, die auf der Messe waren, sondern auch mit den Teilnehmern, die nicht erschienen sind. Wir wollen wissen "Warum warst du nicht da? Du hast schließlich den nicht ganz einfachen Registrierungsprozess durchgemacht" - ab und zu hat man natürlich den Fall, dass jemand krank geworden ist oder etwas privat passiert ist; vielleicht hat derjenige es sich auch einfach anders überlegt. Hauptsächlich wurde mit etwas begründet, was wir als äußerst wichtig ansehen: Es kam etwas anderes geschäftliches/terminliches dazwischen. Und da haben wir uns gedacht, dass wir uns etwas für die Leute zu überlegen, die durch diese Begründung nicht an der Messe teilnehmen konnten. Denn das Interesse dieser Personen ist trotzdem da, auch wenn kurzfristig abgesagt wird. Und wenn wir dann einen digitalen Teil der Messe anbieten können, was natürlich niemals einen wirklichen Besuch ersetzen kann, erfahren die Interessenten dennoch, was auf dieser Messe passiert ist, was an Produkten präsentiert wurde und was es Neues gibt. Das war das erste - kommen wir zum zweiten Aspekt.
Wenn wir uns unseren Umzug von Amsterdam nach Barcelona anschauen, sehen wir dass der Großteil unserer Besucher aus den Niederlanden kommen - 18%. 16 % kommen aus Großbritannien, der gleiche Anteil aus Deutschland. Diese 18% aus den Niederlanden zeigt uns, dass viele Leute von Firmen auch spontan auf die ISE gefahren sind - da hat der Chef gesagt "Fahr da hin, verbringe ein paar Stunden auf der Messe und schau, was es Neues in der Branche gibt". Die gleiche Person will dann in diesem Jahr auch nach Barcelona, aus demselben Grund wie im Vorjahr. Das ist dann allerdings mit Flugkosten und Hotelkosten verbunden - das ist ein Aspekt, den wir beachten müssen, denn vielleicht sagt dann der Chef nicht "Fahr auf die Messe". Genau diese Personen, auf die das zutreffen würde, können dann dennoch die Messe erleben - nämlich digital. Wir erleben das öfter, dass Personen aus Unternehmen nicht die Erlaubnis bekommen, auf eine Messe zu reisen, weil das mit hohen Kosten verbunden ist - übrigens nicht nur in unserer Branche, sondern in jeglichen Branchen mit größeren Messe-Events. Also können wir diese Personen auf dem digitalen Weg erreichen, auch wenn sie nicht persönlich vor Ort sein werden. Für die Bildung empfinde ich den digitalen Weg sehr gut, denn das ist etwas, mit dem man Präsentationen und einen Austausch in dieser Richtung durchführen kann. Natürlich ersetzt dieser Weg nicht das Erlebnis, das man hat, wenn man ein Produkt anfassen kann.
Also kann ich auch sagen: Ja, zukünftig wird es die ISE als hybrides Event geben. Ich glaube nicht, dass wir virtuelle Messestände anbieten werden, denn das ist mit viel Aufwand und Kosten verbunden und unsere Erfahrung zeigt, dass die Leute, die online teilnehmen, nicht mehr als ein paar Stunden "anwesend" sind. Das würde sich dann nicht lohnen.
 
pma: Sie haben den eigentlich geplanten Umzug der ISE von Amsterdam nach Barcelona erwähnt. Es wäre ja so gesehen keine "neue" Messe, sondern es handelt sich hierbei um ein neues Gelände, auf dem die ISE stattfindet. Wie wird die ISE in Barcelona aussehen, wenn sie in voller Größe stattfinden wird und nicht mit einem kleineren Event, wie nun geplant?
Mike Blackman: Man kann natürlich das diesjährige kleine Event in Barcelona nicht mit der eigentlichen ISE vergleichen. Dieses Jahr ist es so gesehen "nur" ein Branchentreff, denn wir bekommen nur ein paar Tausend Menschen zusammen. Aber die ISE für 2022 bereiten wir gerade vor, im Moment fangen wir mit den Reservierungen für die Unternehmen im nächsten Jahr an. Die Top 50 unserer Teilnehmer und Aussteller befinden sich quasi jetzt schon im Prozess für nächstes Jahr. Was wir sehen können, ist dass die meisten Aussteller den gleiche oder sogar mehr Platzkapazität auf der Messe haben wollen. Amsterdam war für uns sehr gut, es hat mitgeholfen, die ISE erfolgreich zu machen. Das Problem war, dass wir mit der ISE für die RAI Amsterdam und die Stadt selbst einfach zu groß geworden sind. Wir haben versucht, mit den Zelten in den Außenbereichen mehr Platz zu schaffen - das funktioniert im Sommer, ist aber nicht ideal für den Winter. Auch diese Zelte waren stets voller Leute. Uns war natürlich klar, dass die RAI nicht neue Hallen extra für uns dazu baut, das ist ein Business und auch die RAI muss wirtschaftlich denken. Es gibt natürlich Pläne für mehr Hallen und sie haben für uns auch weiter Platz geschaffen und ausgebaut, aber wir haben gesehen, dass der potenzielle Wachstum der ISE in den nächsten fünf Jahren dazu führen wird, dass das Messegelände in Amsterdam nicht ausreichen würde, selbst mit Zelten im Außenbereich oder auch neu gebauten Hallen. Also haben wir uns vor zwei Jahren auf die Suche nach einer neuen Location begeben, bei der wir nicht in fünf Jahren wieder umziehen müssten. Barcelona hat da für uns gepasst, wir haben uns das angeschaut und haben natürlich auch mit bedacht, was wir bei einem Umzug der ISE an Ausstellern und Besuchern verlieren würden und wie hoch dieses Risiko für uns wäre. Wir haben uns informiert, haben Anfragen an unsere Aussteller und auch unsere Besucher gestellt und das Resultat war, dass ein Umzug zum neuen Standort Barcelona positiv aufgenommen wurde.
Mit Barcelona haben wir ein Messegelände, das mit seinen 10 Jahren in der Messe-Branche als sehr neu gilt. Es gibt uns die Möglichkeit, eine bessere Aufteilung zu schaffen, für die Aussteller und deren Produkte und auch die Möglichkeit, sich auf dieser Messe durch Lagepläne zurechtzufinden. Die RAI war da etwas komplizierter - ich meine, ich kann mit verbundenen Augen durch das Messegelände in Amsterdam gehen und wüsste immer ganz genau, wo ich mich gerade befinde. Aber das passiert auch nur dann, wenn man jahrelang in denselben Gebäuden und Hallen unterwegs ist (lacht). Wir hatten viele Beschwerden von den Besuchern der ISE auf der RAI in Amsterdam, dass es schwierig ist, sich selbst zu navigieren und die Standorte zu finden oder wie man von A nach B kommt. Es ist natürlich verständlich, denn die Messehallen wurden in verschiedenen Jahren gebaut und dadurch hat sich der Lageplan verändert - wenn man das jahrelang mitmacht, versteht man das und kommt damit gut klar.
Das neue Messegelände ist ein bisschen praktischer aufgestellt, mit einem Eingang, bei dem die Ausstellerhallen links und rechts von der Haupthalle abgehen. Außerdem sind die Hallen größer, statt 15 Hallen haben wir hier nur 8 - viel größer mit viel viel mehr Platz. Und das macht es einfacher, mit einem Layout zu arbeiten und die verschiedenen Bereiche zu planen - z. B. eine Halle nur für Pro Audio, eine Halle für Drive, eine für Digital Signage und so weiter. Die ISE ist zu groß, um sie sich an nur einem Tag anzusehen, eigentlich ist sie sogar zu groß, um sie sich in vier Tagen anzusehen - also versuchen wir die verschiedenen Bereiche für die Besucher zu komprimieren, dass man beispielsweise bei Interesse an Digital Signage auf der Messe einen bestimmten Standort hat, an dem der Hauptteil der Unternehmen aus diesem Bereich zu finden sind. Dann weiß der Besucher, wo er die Produkte und Unternehmen findet, für die er sich interessiert und kann sich dann im Nachgang die restlichen Aussteller auf der Messe anschauen. Das gibt uns viel bessere Möglichkeiten, die Messe zu planen und zu strukturieren, damit die ISE besucherfreundlicher wird.
 Mike Blackman, Managing Director der ISE, ist auch für 2021 zuversichtlich. (Foto: ISE)Mike Blackman, Managing Director der ISE, ist auch für 2021 zuversichtlich. (Foto: ISE)
 
pma: Wie sehen Sie die Zukunft der AV- sowie Messe-Branche nach der Pandemie?
Mike Blackman: Ich sehe uns aus der Messe-Branche als ein Teil von Live-Events, wir waren weltweit sehr von der Pandemie betroffen. Man sieht das beispielsweise an dem Fall der Messe München, die in den letzten Jahren sehr erfolgreich war, dass man hier auch in ein großes Minus gerutscht ist. Viele Leute wurden entlassen in den letzten Monaten - aber die werden wieder kommen. Die Auto-Messe steht an, eine Messe, die für die Messe München ein großer Gewinn sein wird. Man muss hier aber auch die Rental-Firmen der AV-Branche mit einbeziehen, denn wenn man sich mal alle großen Messen weltweit anschaut - die ISE hier mal beiseitegeschoben - sind es die Auto-Messen, die für die Rental-Firmen gewinnbringend und geschäftsfördernd sind. Ich denke daher, dass die Auto-Messe für München ein großer Erfolg sein wird.
Die Messe-Branche wird auf jeden Fall zurückkommen, Messen werden niemals sterben. Es gibt vielleicht Messen, die kleiner sind und mehr gelitten haben, dadurch dann nicht wieder stattfinden werden - aber das sind meistens auch die Messen, die sowieso schon Probleme hatten, auch vor Corona. Die Pandemie war für diese Messe-Events dann quasi nur noch der letzte Nagel im Sarg. Hier nennt man das dann "Survival the of the Fittest".
Zur AV-Branche - ich lese momentan sehr viel zum Thema "Digital Transformation", wie man Unternehmen effektiver und zukunftsorientierter auf dem Markt präsentiert. Das was wir aus der AV-Branche bekommen, ist ein Großteil dessen, was eben diese Firmen brauchen, um in die Zukunft zu starten. Nach dem ersten Lockdown und der ersten Lockerung hatten wir Social-Distancing und limitierte Besucher in Läden. Ich zum Beispiel war im Media Markt und die hatten dort ein System mit Digital Signage an der Eingangstüre, das anzeigt, wie viele Leute sich in Echtzeit im Laden befinden und wenn der nächste Kunde den Laden betreten darf. Es war alles automatisiert, also sieht man ja offensichtlich, dass wir Möglichkeiten und Lösungen anbieten, mit AI und Temperaturmanagement und so weiter. Es ist nicht so, als stünde vor jedem Laden ein Mensch mit einem Zähler, der manuell die Leute im Laden zählt. Bei Media Markt waren das Lesegeräte, die alles abgemessen und verarbeitet haben - das kommt aus unserer Branche, aus der AV-Branche.
Ich war zum Beispiel auch bei einem Treffen, das Tobias Lang (LANG AG) in Lindlar durchgeführt hat - dort wurden Produkte und Lösungen präsentiert, deren Idee während der Pandemie entstanden ist. Die haben ein System entwickelt, welches mit einem Filter hilft, die Luft zu reinigen oder Lösungen, bei denen mit Gesichtserkennung geprüft werden kann, ob jemand eine Maske trägt oder nicht. Dieses System gibt eine Warnung ab, dass man sich eine Maske aufsetzen muss, bevor man in das Gebäude eintritt - da steht kein Mensch, der einem das sagt.
Also ja, es kommt weitere Entwicklung und es kommen auch neue Produkte aus unserer Branche, die uns in dieser Zeit der Digitalisierung helfen werden.
 
pma: Eine Frage zu dem Event in London - wie waren Ihre Erfahrungen hierbei bezüglich des BREXIT und was denken Sie, welche Auswirkungen er bereits hat bzw. kommt da noch etwas auf die Branche zu, was durch die Pandemie so noch nicht sichtbar geworden ist?
Mike Blackman: Was interessant ist, der Effekt des BREXIT hat sich bei mir wie folgt ausgewirkt: Ich bin Deutscher geworden (lacht). Eigentlich bin ich Engländer und ich habe mir selbst gesagt, dass es schwierig werden würde - denn ich bin sehr oft in Deutschland, habe bisher aber immer gesagt, ich brauche die deutsche Staatsbürgerschaft nicht. Aber durch den BREXIT habe ich gemerkt: Ich brauche sie doch und habe sie beantragt. Das macht vieles für mich leichter. Als wir die erste ISE veranstaltet haben, haben wir das in Genf durchgeführt - Genf war geographisch gesehen zentral. Aber Genf hatte das Problem, dass es in Europa ist - aber auch gleichzeitig wieder nicht in Europa. Jeder Aussteller muss seine Produkte importieren und wieder exportieren, also eine Menge an Papierarbeit, die da durchgeführt werden muss. Und genau das wird jetzt auch durch den BREXIT passieren, für alle Leute des Geschäfts, bei denen Produkte aus Großbritannien nach Europa bringen müssen. Ein Beispiel hierfür: Ich habe neulich etwas über Amazon bestellt, das aus England kam. Als der Postbote dann vor meiner Tür stand, musste ich für die Auslieferung bezahlen. Da wurden vom Versender die Auslandskosten für den Versand mit aufgerechnet. Wenn man solche Dinge schon als Privatperson mitbekommt, wobei man auch noch die zeitlichen Verzögerungen und Verspätungen von Bestellungen und Paketen mitbekommt. Das wird zwar alles nicht mehr so schlimm sein, wenn alles angefangen hat seinen Lauf zu nehmen, aber dafür wird auch zusätzlich viel mehr Verwaltung zwischen den Ländern benötigt. Unsere Kunden, die in England ansässig sind, haben beispielsweise diese Extra-Arbeit. Das passiert auch bei anderen Unternehmen, ich wüsste nicht, wie eine Rental-Firma aus England jetzt einen Kunden für ein Event in Europa beliefern würde. Denn es ist ein großer Aufwand, wenn man jedes einzelne Teil, das versendet wird, registrieren und beim Zoll anmelden muss. Dieser Umstand macht es schwierig, auch andersherum: Wenn eine europäische Firma etwas nach England verschickt, geht das denselben Weg und ist mit denselben Aufwand verbunden.
 
pma: Haben Sie denn bereits von der LEaT con gehört, eine Branchenmesse die im Oktober 2021 auf der Messe Hamburg stattfinden soll?
Mike Blackman: Also, ich weiß davon. Komischerweise haben die von Ebner den Kontakt mit uns aufgesucht. Ich meine, ein Verlag ist immer in einer guten Position eine Messe durchzuführen, denn die haben die Kontakte und sind mit der Branche verbunden und haben diese Chance. Ich schätze, dass Ebner sich informiert und mit Kunden gesprochen und sehen das Potenzial etwas in dieser Richtung zu machen. Was sie beachten müssen ist, als Messepartner aufzutreten ist nicht so leicht. Haben sie das Knowhow und haben sie die Ressourcen, um das richtig umzusetzen - aber das kann ich nicht beantworten. Was sicherlich negativ ist, als Verlag eine Messe durchzuführen, ist dass sie Konkurrenz haben, also andere Verleger und Verlagshäuser aus der gleichen Branche. Normalerweise sieht man, dass die anderen Verlagshäuser ein solches Vorhaben nicht so gern sehen und auch meistens nicht unterstützen - allerdings wird Ebner den Vorteil haben, dass deren Magazine und Publikationen den größten Vorteil von einem solchen Event haben. Was passieren könnte ist, dass andere Verlagshäuser sagen, dass sie dabei nicht mitmachen oder Unterstützung anbieten. Es ist schwer, denn wenn man ein Branchen-Event plant und durchführen will, braucht man die Hilfe und Unterstützung von allen anderen Verlagshäusern, für die Promotion und so weiter. Also ich denke, es wird interessant werden. Ich meine, wir kennen die Ebner Media Group und arbeiten auch mit denen zusammen. Verlage für Printmagazine, wie ihr von PPVMEDIEN auch (pma und das musikinstrument) haben uns mit der ISE immer unterstützt - und ich hoffe natürlich, das bleibt auch weiterhin so. Aber es wird interessant, denn soweit ich weiß, dass sie keine größeren Messen gemacht haben, also damit keine Erfahrung haben.

pma: Ebner hat tatsächlich im Gitarren-Bereich eine Messe veranstaltet, die Guitar Summit in Mannheim und es gab auch vor der Pandemie, wenn auch relativ klein, eine Ausgabe der "Studio Szene", für Recording, Studio-Equipment usw. Dort waren allerdings nur geschätzt 20-30 Austeller dabei, also auf jeden Fall kleiner.
Mike Blackman: Also, wenn sie etwas größeres machen wollen, ist es dennoch schwierig, denn man kann das dann nicht mit den gleichen Leuten durchführen. Allerdings kann ich dazu kein großes Kommentar abgeben, ich weiß schließlich nicht, wie weit die mit den Planungen und Vorbereitungen sind. Ich bin sicher, dass eine Firma wie Ebner sich schon vorab Informationen eingeholt hat, bevor sie den Schritt Richtung Messe-Event gewagt haben. Es wird auf jeden Fall interessant, dass weiter zu beobachten.
 
Die ISE 2021 findet am 01. und 02. Juni 2021 in Barcelona statt - die ISE Digital wird ebenfalls am 01. Juni um 12:30 Uhr beginnen.
Der Messe-Termin in London wird am 23. und 24. Juni 2021 statfinden.
 
Einen ausführlichen Nachbericht inklusive Interview mit Mike Blackman nach der ISE in Barcelona finden Sie in der pma-Ausgabe 04/2021.
 
 
 

Tags: Messe, Integrated Systems Europe, Interview, Mike Blackman

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